Die polnische Ostsee
Meine Reise nach Polen mit Detlev und den Hunden ist schon so lange her - es ist fast nicht mehr wahr. Kurz hatte ich überlegt, ob ich überhaupt noch etwas dazu schreiben soll. Schließlich ist Ostern längst vorbei, Himmelfahrt und Pfingsten sind auch gekommen und gegangen und fast sind sogar die Sommerferien schon wieder Vergangenheit.
Polen aber einfach so unter den Tisch fallen zu lassen, ist eben auch keine Lösung. Dafür ist unser östliches Nachbarland einfach viel zu schön und - gerade mit dem Wohnmobil - immer eine Reise wert, finde ich.
Meine Freundin Linda, die ich schon einige Jahre erst als Kundin und dann durch gemeinsame Arbeit bei Hundetrainingsseminaren kennengelernt habe, hatte mich schon länger eingeladen, sie einmal auf ihrem Hof in Polen am Notec-Tal zu besuchen. Schon im letzen Sommer hatte ich mich angekündigt und es dann doch nicht geschafft, im Herbst hatte die Normandie gerufen, jetzt endlich, zu Ostern, sollte es sein.
Etwas aufgeregt war ich schon. Es war nicht so sehr die Sorge, dass mir etwas passieren oder mein Wohnmobil abhanden kommen könnte. Immerhin habe ich meinen Riesenschnauzer an meiner Seite. Es war das mehr oder minder große Unbehagen, in ein Land zu reisen, dessen Sprache ich erstens so gar nicht beherrsche und die sich mir auch überhaupt nicht erschließen wollte. Ich habe in meinem beruflichen Umfeld so einige Menschen, die Polnisch sprechen. Aber weder meinen Schülern, noch meinen Kollegen war es möglich, mir mehr als das banalste "Hallo", "Tschüs" und "Danke" beizubringen. Schon an dem Wort "bitte" bin ich mehr oder minder gescheitert.
Dabei hatte ich mir ganz engagiert die App Duolingo installiert und mit ihrer Hilfe versucht, wenigstens den einen oder anderen polnischen Satz in mein Hirn zu hämmern: vergebens. Bis heute ist es mir nicht möglich, mir den Unterschied zwischen "Ich bin eine Frau" und "Ich esse einen Apfel" zu merken. Meistens esse ich die Frau oder bin der Apfel, wenn ich versuche, diese Sätze auf Polnisch zu sagen.
Meine Kollegin Anna schließlich gab mir den guten Rat, mich auf Google Translator zu verlassen und meine Freundin Linda versicherte mir glaubhaft, dass sie und ihr Mann Tag und Nacht für Simultanübersetzungen zur Verfügung stehen würden. So gerüstet wagte ich schließlich den Weg über die Grenze.
Und dann war alles viel weniger schlimm als gedacht. Auf dem ersten Stellplatz, in Mrzezyno, traf ich überhaupt gar keinen Menschen an, mit dem ich hätte sprechen müssen oder können und auf dem zweiten Platz, in Bialogora, empfing mich ein ausgesprochen netter Campingplatzbetreiber, der hervorragend Deutsch sprach. Zwar war sein Campingplatz noch gar nicht für Besucher geöffnet, aber er schloss mir trotzdem schnell Wasser an, legte mir Strom zu meinem Wohnmobil, öffnete das Duschhaus für mich und gab mir am Ende noch seine Handynummer, damit ich, falls etwas sein sollte in der Nacht (ich war ja die einzige Camperin weit und breit), ihn anrufen und um Hilfe bitten könnte.
Und das war auch der größte Plus- und größte Minuspunkt zugleich an meiner Reise: Der Zeitpunkt. Anfang April haben viele Camping und auch Stellplätze in Polen einfach noch nicht geöffnet und es war nicht immer leicht für mich, einen Platz für die Nacht zu finden. In Mrzezyno am Hafen, wo eigentlich auch noch nichts geöffnet hatte, bin ich dann trotzdem einfach stehengeblieben und es kam auch niemand, der mich wegschicken wollte. Die ganze Nacht zwar kamen immer mal wieder Autos angefahren, es wurde Musik gespielt und laut gefeiert - mich aber ließ man in Ruhe.
Auf der anderen Seite: Das war eben auch das Tolle. Menschenleere Strände jeden Tag, meine Hunde und ich hatten die ganze Ostsee für uns, bei herrlichstem Sonnenschein. Nachts war ich inmitten all dieser Einsamkeit dann aber trotzdem immer ganz froh, dass ich meinen wehrhaften Riesenschnauzer dabei hatte.
Danzig
In Danzig traf ich aber endlich Menschen an. Ich hatte vorher schon gelesen, dass man dort sein Wohnmobil quasi auf dem Hof der Musikhochschule auf einem ummauerten Parkplatz abstellen und dort auch übernachten kann. Allerdings muss ich sagen, dass es für so ein kleines Wohnmobil wie Detlev auch so, direkt an der Innenstadt, genug freie Parkflächen gegeben hätte, auf denen ich eine Nacht hätte verbringen können.
So waren Detlev und ich aber in guter Gesellschaft anderer Reisenden und das so dicht an der Danziger Innenstadt, dass ich am nächsten Tag in Begleitung von Digger und Carotte eine kleine Stadtbesichtigung machen konnte. Danzig und Bremen sind schließlich Partnerstädte, ich hatte schon lange mal zu einem Besuch kommen wollen.
Und Danzig ist phantastisch. So jung, so pulsierend, so offen und freundlich. Bei Starbucks wurde ich freundlich (auf Englisch) darauf aufmerksam gemacht, dass ich doch meine Hunde, die ich vor der Tür angebunden hatte, um mir einen Kaffee zu holen, mit hätte in den Laden bringen sollen. Man möge Hunde und sie seien immer willkommen. Ähnlich erging es mir auch bei der Touristen-Information, wo ich - ich bin eben ein Nerd - begeistert feststellte, dass ich mir einen Audio-Guide ausleihen konnte, mit dem ich mich durch Danzig treiben lassen konnte. Bei Audio-Guides kann ich grundsätzlich nicht widerstehen.
Wir hatten also einen schönen Tag, die Hunde und ich. Die Menschen in Danzig reagierten allgemein sehr freundlich und offen auf meine Hunde, sprachen mich immer wieder auf die beiden an und fragten, ob sie Fotos von den Hunden machen dürften. Ein Labsal für meine Seele. Zu Hause ist es meistens genau umgekehrt, aber das ist eine andere Geschichte.
Chodziez und das Notec-Tal
Was soll ich sagen. Das Notec-Tal ist schlicht fantastisch. Das lag natürlich zum nicht unwesentlichen Teil an Linda und Gregor, die mich so herzlich in Empfang genommen haben, als wäre ich der verlorene und wieder heimgekehrte Sohn. Linda und Gregor haben mir so viel gezeigt vom polnischen Leben und der polnischen Auffassung von Gastfreundschaft. Ich hatte meine Wiese bei Ihnen vor dem Haus, auf der ich Detlev abstellen konnte und hatte morgens immer das Vergnügen, die Hunde des Dorfes zu beobachten, die von Hof zu Hof liefen, um sich gegenseitig abzuholen für einen kleinen Plausch und eine gemeinsame Runde durch das Dorf.
Wer gerne einfach nur wandert und Spaß daran hat, stundenlang unterwegs zu sein, ohne auch nur einer einzigen Menschen- oder Hundeseele zu begegnen, der sollte unbedingt einmal Urlaub im Notec-Tal machen. Ich war völlig hin und weg. Einen Tag war ich, etwas davon getragen von der Weite des Tals, mit den Hunden fast 30 km mit dem Fahrrad unterwegs und wir sind buchstäblich, von Hasen und anderem "wilden" Getier mal abgesehen, allein auf der Welt gewesen. Zudem ist das Notec-Tal auch landschaftlich wunderschön. Ich werde mit Sicherheit wiederkommen.
Mein Fazit
Polen ist so etwas wie mein Sehnsuchtsort geworden. Ich kann nicht mal genau erklären, warum das so ist. Schlussendlich spreche ich die Sprache genauso schlecht wie vor meiner Reise. Mein Unbehagen, ein Land zu bereisen, dessen Sprache ich nicht spreche, ist geblieben. Es ist nicht so, dass es mir Angst macht, mich nicht verständigen zu können, ich finde es einfach nur so unhöflich. Es ist mir peinlich. Als ob ich mir nicht genug Mühe geben würde oder so.
Dabei haben es mir die Menschen so einfach gemacht. Erstaunlich oft habe ich Menschen getroffen, die Deutsch oder Englisch sprachen und wenn nicht, dann ging es irgendwie auch mit Händen und Füßen. Oder man macht es wie Petra und Susi, zwei Frauen, die ich mitsamt ihren Hunden in Chodziez getroffen habe: Die hatten Bildkarten dabei, bzw. ein bebildertes Wörterbuch. So geht es natürlich auch.
Ich werde auf jeden Fall wiederkommen. Nicht nur ins Notec-Tal sondern nach Polen allgemein. Hoffentlich mit Petra und Susi. Wir sind uns als Fremde begegnet und als Freundinnen wieder gefahren. Manchmal ist das einfach so. Es gibt noch so viele Orte, an denen ich nicht gewesen bin, Landschaften, die ich nicht gesehen, Städte, die ich nicht besucht habe. Wer weiß, eventuell kann ich mir bis dahin sogar merken, dass ich eben kein Apfel bin und auch keine Frau essen will.
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