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Carotte, Digger und ich

Es ist still geworden im Blog und bei uns zu Hause. Vickys Tod hat eine Lücke hinterlassen. In mir. In der Familie. Und auch bei meinen Hunden. Vicky war bis zum letzten Tag der unangefochtene Chef unserer kleinen Hundegruppe. Jetzt, da sie nicht mehr da ist, müssen Carotte, Digger und ich uns erst einmal neu sortieren.

 

Zum Glück stand letztes Wochenende das balance4dogs-Seminar mit Rolf Löhle und Mario Jessat in Naumburg an der Saale an. Auf dieses Seminar hatte ich mich schon fast das ganze Jahr gefreut. Und jetzt endlich war es so weit.

 

Ich bin im Grunde ohne große Erwartungen, aber eben doch mit Hoffnung angereist. Ein Stück weit hatte ich Carotte und mich schon aufgegeben. Oder jedenfalls: Ich hatte mich mit dem Gedanken angefreundet, für den Rest ihres Lebens Carotte mit Maulkorb und überwiegend an der Leine zu führen. Schlimmer aber noch, nach Vickys Tod schien es mir nicht mal mehr möglich, so was wie Leinenführigkeit oder sonst irgendwie gesittetes Gehen an der Leine herzustellen.

 

Und dann war das Seminar einfach großartig. In jeder Hinsicht. Rolf und Mario und ihre Frauen, Claudia und Marianne, sind tolle Menschen und tolle Trainer. Ich weiß zwar nicht genau, wie sie das gemacht haben, aber sie haben es wirklich geschafft, mir meine Mitte wiederzugeben. Mich sozusagen wieder auf meinen Weg zurückzuführen. Und das erste Mal seit langer Zeit habe ich das Gefühl, weiterlaufen zu können. Auch alleine.

 

Ich habe in meinem Leben schon wirklich viele Hundeseminare besucht und gesehen. Dieses war mit Abstand das beste. In jeder Hinsicht. Das fing schon damit an, dass wir ingesamt an dem ganzen Wochenende nur 10 Mensch-Hund-Teams waren. Enstsprechend intensiv war das Training.

 

Bis auf wenige Ausnahmen hatten wir alle immer unsere Hunde draußen und haben mit ihnen in der Gruppe gearbeitet bzw. sind zusammen mit den Hunden spazieren gegangen. Außerdem haben wir verschiedene Möglichkeiten gezeigt bekommen, mit unseren Hunden zu arbeiten, uns einzubringen, unsere Hunde ggf. zu schützen und vor allem, beharrlich und konsequent darauf zu achten, dass getan wird, was wir angeordnet haben. Ohne Diskussionen.

 

Mir hat das Seminar wahnsinnigen Spaß gemacht. Claudia, Marianne, Mario und Rolf sind so individuell auf uns eingegangen, hatten wirklich für jede Frage ein offenes Ohr und vor allem auch viel Verständnis für all unsere Sorgen und Nöte. Mario hat sich meine Hunde noch mal in Zusammenhang mit seinem Rudel angeguckt und mich sehr schnell überzeugt, Carottes Maulkorb wieder abzumachen, Rolf hat mir Entschleunigung und das, was er Klausur nennt, so erklärt, dass ich es tatsächlich wirklich verstehen konnte und jetzt hoffentlich auch umsetzen werde, Marianne hat mir gezeigt, wie die Reise weitergehen kann und Claudia hat meine Krone gerichtet und mir, sozusagen, ein neues Zepter in die Hand gedrückt.

 

Und anders als im Sommer nach meinem Besuch in der Schweiz, als ich das Gefühl hatte, das spaßige Leben mit meinen Hunden ist für immer vorbei, bin ich nach dem Seminar mit einem wirklich guten Gefühl in die Normandie aufgebrochen. Die Klausur geht weiter. Bei jedem Halt dürfen meine Hunde wieder erfahren, dass die neuen Regeln immer noch gelten. Auch hier, am Ärmelkanal. Eine echte Anfechtung für Carotte, wasseraffin wie sie ist.

 

Inzwischen sind wir dem Ärmelkanal weiter nach Westen gefolgt und haben die Côte d‘Albatre hinter uns gelassen. Nach Le Tréport, Étretat, dem Cap d‘Antifer sind wir jetzt über die Pont de Normandie nach Honfleur gekommen. Überall war es schön. Überall war ich viel mit den Hunden unterwegs. Immer zu Fuß, nie mit dem Fahrrad. Das Fahrrad auf dem Gepäckträger zu lassen, ausgerechnet im Urlaub, schien mir am Anfang als eine echte Anfechtung. Ich habe die Idee dahinter verstanden, auch das gehört zur „Klausur“, ich konnte es mir aber in der praktischen Umsetzung nicht vorstellen. Ich fahre nunmal sehr gerne Fahrrad mit meinen Hunden.

 

Und dann war alles viel weniger schlimm als vorher gedacht. Nicht Fahrrad zu fahren, alles zu Fuß zu erledigen –  oder eben auch nicht zu erledigen – hat für mich jedenfalls auch viel mit Entschleunigung zu tun und auch mit der wirklichen Beschäftigung mit meinen Hunden, dem „Einbringen“ eben. So oder so: Wir haben viel unternommen. In Le Tréport, Étretat und am Cap d‘Antifer bin ich stundenlang mit den Hunden die Pfade an der Steilküste und quer über die abgeernteten Felder gelaufen. Hier in Honfleur habe ich das getan, was ich am liebsten mache, wenn ich Städtetouren mache: Ich habe mir einen Audio-Guide geliehen und die Stadt erkundet, die Hunde im Schlepptau.

Es hat alles super geklappt. Obwohl die Steilküste mit ihrer Nähe zum Atlantik schwierig war für Carotte, obwohl Honfleur voller Touristen ist, von denen erstaunlich viele ihre Hunde dabei hatten, wir sind überall gut durchgekommen. Carotte wird nie ein Hund sein, den ich von der Leine lassen und dem Leben überlassen kann. Manchmal bin ich deswegen etwas neidisch auf die Hundebesitzer, die ihre Hunde einfach machen lassen und sie eben auch partout jeden anderen Hund „begrüßen“ lassen wollen, ob mit oder ohne Leine, völlig egal. Dazu wird Carotte immer eine andere Meinung haben. Aber dafür hat sie aber auch eine sehr dezidierte Meinung zu Menschen, die ungefragt an mein Wohnmobil kommen oder mir sonst irgendwie zu nahe treten, was ich gerade in der Einsamkeit am Cap d‘Antifer sehr zu schätzen gewusst habe.

 

So oder so, sie bleibt ein Hund mit Ecken und Kanten. Mein Hund. Mein geliebter Riese. 

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