Was bleibt, drei Wochen später, nach der Schweiz und dem Schlegel, bei meinen Hunden und mir?
Ich muss zugeben, es waren anstrengende Wochen. Viel getrenntes Laufen, viel getrenntes Fahrradfahren und irgendwie hatte ich das Gefühl, viel bleibt nicht von meinen kostbaren Sommerferien und meiner Zeit mit Detlev.
Besonders das getrennte Fahrradfahren war ein Opfer, gehörte es doch bisher zu meinen liebsten Hobbys; etwas, das mir mit den Hunden immer Spaß gemacht hat, auch dann noch, wenn es mit Carotte ansonsten mal wieder besonders schwierig war.
Hans Schlegel hat während des Trainings bei ihm den Finger genau auf den Punkt gelegt, der immer schon wund war bei Carotte und mir. Etwas, das er „sich einbringen“ nennt in die Beziehung zu dem Hund: Führung übernehmen, dem Hund deutlich zeigen, wo es lang geht und wo die Grenzen sind, in der Schule würde ich sagen: Einen Rahmen geben.
Um zu verstehen, warum das so schwierig ist für mich und vor allem, warum ich emotional so involviert bin mit diesem Hund, dass ich es nicht schaffe, sie so cool und gelassen durch das Leben zu führen, wie sie es bräuchte, muss ich vielleicht etwas weiter ausholen.
Meine Mutter war Alkoholikerin. Und schon alleine diese Worte auszusprechen, geschweige denn sie niederzuschreiben und das auch noch im Internet, wo alle Welt sie lesen kann bis ans Ende aller Tage, hat mich Jahre gekostet. Buchstäblich.
Meine Mutter war also Alkoholikerin und litt in fortgeschrittenem Alter an Alkoholiker-Demenz, dem sogenannten Korsakow-Syndrom. Wer jemals miterlebt hat, wie ein Mensch buchstäblich verschwindet, nicht nur sein Gedächtnis verliert, sondern noch dazu seine gesamte Persönlichkeit, der weiß, wovon ich rede. Im Grunde musste ich mich von meiner Mutter, so wie ich sie kannte und wie sie mich ein Leben lang begleitet hatte, schon Jahre vor ihrem Tod Abschied nehmen, immer ein bisschen mehr.
Kurz nachdem ich Carotte bei ihrer Züchterin ausgesucht und gekauft, aber noch nicht abgeholt hatte, ist meine Mutter gestorben, nach drei langen, sehr dementen Jahren. Wenn ich hätte ehrlich zu mir sein können, hätte ich Carotte nicht abholen dürfen. Ich habe buchstäblich in einem emotionalen Vakuum gesteckt. Denn auch wenn meine Mutter schon lange krank gewesen war und nicht mehr der Mensch, der sie mal war, sie war eben trotzdem immer noch da, meine Mutter. Und auf einmal gab es niemanden mehr. Ich war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Auf den Verlust. Auf die Leere.
Und genau in diese Leere kam Carotte. Meine Mutter ist ganz kurz vor den Sommerferien gestorben und ich kann mich noch genau erinnern, wie ich mich so mit Carotte durch die Ferien schleppte und dachte, mein Leben wird nie wieder gut.
Ich habe ja schon mal an anderer Stelle geschrieben, dass es nicht die beste Idee ist, sich einen Sporthund zu kaufen, wenn man eigentlich ein richtiger Städter ist, mit all den Aspekten, die zu einem Leben in der Stadt dazugehören.
Es war für mich auf jeden Fall darüber hinaus auch keine gute Idee, mir ausgerechnet dann, als in meinem Leben außer Trauer und Angst und Verlust überhaupt gar kein Platz mehr war, einen so anspruchsvollen Hund zu kaufen. Und ohne jetzt esoterisch daher zu kommen, genauso ist Carotte dann auch geworden: Ein bisschen führungslos und schnell aus der Ruhe zu bringen. Nicht unbedingt ein Hund, der in sich ruht.
Und irgendwie war ich in ihrer Erziehung immer unsicher, ständig auf der Suche nach dem, was richtig ist und was aus Carotte einen unkomplizierten und einfach zu führenden Hund machen sollte. Es war, als wenn ich ständig auf der Suche gewesen bin, nie zufrieden, mit dem, was ich hatte: einen tollen Hund.
Was ich an Hundeschulen durchhabe, an Trainern, an guten Tipps, an ungebetenen Ratschlägen, geht auf keine Kuhhaut. Wie viel Geld ich für Training und Ausrüstung für Carotte ausgegeben habe – ich will es lieber nicht ausrechnen.
Bei Schlegel habe ich viel über die notwendige Ruhe gelernt, die ich wahrscheinlich mehr brauche als meine Hunde. Über Leinenhandling. Über Führung.
Einen weiteren kleinen Baustein hat mir kürzlich Linda Sikorski von der HundeTEAMSchule geschenkt. Damals schon, auf meinem allerersten HTS-Seminar war Linda (und Thomas Juhe, der damals noch die Spielestation auf der Großen Freiheit anbot) die einzige, die mit mir und Carotte überhaupt arbeiten wollte.
Ich habe später viele Seminare der HundeTEAMSchule begleitet. Große Themenseminare und Mini-Seminare. Gerade dieses Jahr wieder habe ich viele Teams erlebt, die mit zum Teil extrem schwierigen Hunden zu Linda gekommen sind – und sie hat für wirklich alle eine Lösung gefunden.
Meine Reise mit Carotte ist ganz sicher noch nicht beendet. Im September bin ich zu einem Seminar bei Mario Jessat angemeldet, einem Schäferhundzüchter aus der DDR, den ich schon lange einmal arbeiten sehen wollte. Für danach habe ich einen langen Wohnmobilurlaub geplant. In der Normandie Mit meinen Hunden. Und mit Detlev.
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