Landvergnügen – etwas, was ich schon lange mal machen wollte. Deshalb war ich hoch erfreut, als ich eher durch Zufall erfuhr, dass es das – eben als France Passion – auch in Frankreich gibt.
France Passion funktioniert im Grunde genauso wie das deutsche Landvergnügen: Gegen eine Gebühr von 29,- € erwirbt man eine Vignette für das laufende Kalenderjahr, ein Gastgeberverzeichnis sowie eine Übersichtskarte aller Gastgeber in Frankreich und eine Mitgliedskarte. Und dann geht es los. Bei jedem der eingetragenenen Gastgeber darf man für 24 Stunden Station machen, sich gegebenenfalls die Landwirtschaft oder die Winzerei zeigen lassen und, wenn man möchte, auch die Produkte des Hofes kaufen.
Am Anfang musste ich mich ein bisschen zieren.
Es hat mich echt Überwindung gekostet, einfach so bei fremden Leuten aufzutauchen, Detlev und mich vorzustellen und eine Nacht zu bleiben.
Dabei machen die Gastgeber das ja nun wirklich ganz freiwillig, niemand, der ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt hätte – und trotzdem. Ich weiß wirklich nicht, von wem ich meine Spackigkeit geerbt habe, jedenfalls nicht von meiner Mutter. Die hätte mit Händen und Füßen geradebrecht, auch ohne ein Wort Französisch, hätte gleich am ersten Abend eine lebenslange Freundschaft mit den jeweiligen Gastgebern geschlossen und wäre wahrscheinlich noch mit neuen Rezepten nach Hause gefahren.
In der Beziehung, das steht fest, bin ich nicht meiner Mutter Tochter. Ob mein Vater eine solche Situation besser gemeistert hätte als ich, weiß ich natürlich nicht. Nach vier Jahren in englischer Kriegsgefangenschaft, die mein Vater als sehr junger Mann in einem Zeltcamp in Ägypten abgesessen hat, hat er sich allerdings für sein weiteres Leben geweigert, auch nur noch eine einzige Nacht campen zu gehen. Er wäre also nie in die Verlegenheit gekommen, Passion France auszuprobieren.
Aber Spackigkeit hin oder her, meine Schwester war mit an Bord und hat mich mit sanfter Gewalt, wie große Schwestern eben so sind, dazu gezwungen, Passion France wenigstens einmal eine Chance zu geben. Und da mein Freund Divi immer sagt, man solle sich nicht so viel in den Köpfen anderer Leute aufhalten, hatte ich also beschlossen, mein Vorbehalte über Bord zu werfen undDetlev französische Landluft schnuppern zu lassen.
Verneville
Das Departement Moselle liegt im Nordosten von Frankreich, in den Vogesen. Landschaftlich wirklich schön, super zum Wandern und Fahrradfahren. Georgettes und Charles Mathis in Verneville hatte ich mir als erste Gastgeber erkoren. Und tatsächlich war das überhaupt kein Problem. Bei der Ankunft auf dem Hof kam gleich ein sehr netter Mann auf mich zu, der mich begrüßte, mir zeigte, wo ich Detlev abstellen konnte, mich darauf aufmerksam machte, dass ich den an den Stellplatz angrenzenden Garten zum Sitzen und Essen nutzen könnte und mir versicherte, dass ich mir über den freilaufenden Hofhund in Bezug auf meine Hunde keine Sorgen machen müsse. Und genau so war es auch.
Spätabends hatten wir dann noch das Vergnügen, den beiden Border Collies des Hofes bei ihrer täglichen Arbeit zuzugucken: Das Eintreiben der Gänse, Enten und Hühner der Hofes, die den ganzen Tag auf großen Wiesen laufen und eben nachts in ihre jeweiligen Ställe gebracht werden müssen. Und da es so viele sind, sind die beiden Hunde nicht nur für das Treiben zuständig, sie suchen auch die Gebüsche und Ecken und Winkel nach etwaigen Nachzüglern ab und geleiten sie in ihren Stall. Sehr beeindruckend.
Ambonnay
Nachdem diese erste Etappe mit France Passion so schön war, hieß unser nächstes Ziel Ambonnay im Departement Marne, mitten in der Champagne. In dieser Region gibt es eine Vielzahl von Gastgebern, fast alles Winzer, bei denen man nicht nur auf dem Hof stehen, sondern oft auch eine Führung durch die Weinkeller bekommen und natürlich auch Champagner kaufen kann.
Auf Ambonnay fiel meine Wahl eigentlich eher zufällig – es steht für das Departement Marne an erster Stelle im Gastgeberverzeichnis und verspricht einen noch immer mittelalterlichen Stadtplan. Da wollte ich gerne hin.
Und tatsächlich wurden wir nicht enttäuscht. Wir standen bei einem kleinen Winzer im Hof, der uns sehr herzlich empfing und uns gleich fragte, ob wir gerne Strom oder Wasser hätten oder ob er sonst noch irgendetwas für uns tun könnte. Später lud er uns zu einer Führung durch seine Kellerei inklusive Verkostung seiner verschiedener Champagnersorten ein. Das war nicht nur hochinteressant und sehr lecker, sonder führte auch dazu, dass Detlev jetzt mit einigen Kilos mehr rumläuft, da wir es uns natürlich nicht nehmen lassen konnten, sowohl von dem traditionellen Champagner als auch von dem sehr guten Rosé-Champagner die eine oder andere Flasche mit auf die Reise zu nehmen. Ganz zu schweigen von der angebrochenen Flasche Rosé, schön vorgekühlt, nebst einem wirklich funktionierenden Verschluss für bereits geöffnete Sektflaschen, die uns unsere Gastgeber noch schenkten.
Davon abgesehen waren sowohl das Dorf an sich als auch die umgebenden Landschaft ein Traum. Super zum Fahrradfahren. Toll zum Laufen. Und zu allem Überfluss gab es am Freitagmorgen auch noch einen kleinen Grünmarkt hinter der alten Schule, wo wir Aprikosen, Pfirsiche und Oliven erstehen konnten.
Alles in allem also: Passion France war für uns ein voller Erfolg. Und hätte es uns nicht nach einer „richtigen“ heißen Dusche verlangt, wir wären bestimmt noch ein weiteres Mal bei einem Gastgeber eingekehrt, statt unser nächstes Lager auf einem Stellplatz an der Maas aufzuschlagen, der allerdings, das muss man sagen, auf seine Art wirklich auch sehr schön war. Aber das ist eine andere Geschichte.
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